Nordistik
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Promotionsprojekt von Philipp Martin

Arbeitstitel: Zukunftsdystopien in skandinavischer Science Fiction des Anthropozäns

Abstract:
Das Promotionsprojekt beschäftigt sich mit der Reflexion des Anthropozäns in der skandinavischsprachigen Science Fiction seit der Mitte des 20. Jahrhunderts. Das Konzept des Anthropozäns beschreibt den wachsenden Einfluss anthropogener Aktivitäten auf die Erde und die Atmosphäre sowie die zentrale Rolle der Menschheit für die Geologie und Ökologie. Nachdem das Anthropozän als die Neubenennung für die aktuelle geochronologische Epoche im Jahr 2000 vorgeschlagen wurde, hat der Begriff seitdem auch außerhalb der Naturwissenschaften einen zukunftsorientierten Diskurs etabliert. Der Eintritt in ein neues Erdzeitalter hebt nicht nur die Konsequenzen des zunehmenden flächendeckenden und tiefgreifenden anthropogenen Einflusses infolge des technowissenschaftlichen Fortschritts hervor, sondern markiert gleichzeitig »the collapse of the age-old humanist distinction between natural history and human history« (Chakrabarty). Aus diesem Grund erweist sich das Anthropozän als produktives Metanarrativ, um die gemeinsame Geschichte und Zukunft der Spezies Homo sapiens mit ihrem Planeten sowie die Verstrickung des Menschen mit nichtmenschlichen Akteuren neu perspektivieren zu können, auch wenn im gleichen Moment die damit einhergehende Verfremdung der Wirklichkeit durch weltweite Veränderungen sowie die Rekonfiguration vormals gültiger Ordnungskategorien vorausgesetzt werden. Während Science Fiction definitionsgemäß als Imaginationsraum für die Extrapolation möglicher Zukünfte verstanden werden kann, die maßgeblich vom Menschen bestimmt werden, kommt ihr im Kontext des Anthropozäns – so die These des Projekts – eine besondere Bedeutung zu. Das Projekt geht von der Annahme aus, dass Science Fiction in den letzten siebzig Jahren und somit auch vor der nominellen Einführung des Begriffs des Anthropozäns wesentlich an der Rezeption und Produktion sowie an der Konstruktion und Dekonstruktion anthropozäner Zukünfte beteiligt ist. Die zentrale Fragestellung lautet, auf welche Weise und mit welcher Absicht literarische Zukunftsszenarien Globalisierungsprozesse vorstellen und darstellen, die über die Gegenwart hinausweisen. Ziel ist dabei die Herausarbeitung des Potenzials von Science Fiction als »literature of cognitive estrangement« (Suvin) für die Auseinandersetzung mit der wirklichkeitsverändernden Kraft des Anthropozäns. Grundlage des Projekts bilden ausgewählte Textschwerpunkte, die den Zeitraum von den 1950er Jahren bis kurz nach der Jahrtausendwende abdecken und die im Rahmen der kulturellen Selbstinszenierung und Fremdwahrnehmung der skandinavischen Länder als globalpolitische und umweltökologische Vorreiter eine Sonderposition im anthropozänen Diskurs einnehmen. Die Texte zeichnen sich vor allem durch ihre Versuche aus, anhand ihrer experimentellen lyrischen, hybridsprachigen oder fragmentierten Form eine Poetik anthropozäner Erzählungen zu entwerfen.

Betreuerin: Prof. Dr. Annegret Heitmann