Nordistik
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Norwegen: Tromsø 2017

Norwegen: Tromsø - 69° Nördlicher Breite

Wie den meisten Hauptfachstudenten der Skandinavistik angeraten wird, wollte auch ich für ein Jahr im skandinavischen Ausland studieren. Da meine Hauptsprache Norwegisch ist, stand für mich natürlich von Anfang an fest in welches Land es gehen würde. Dass meine sehr schnelle aber trotzdem wohlüberlegte Wahl der Universität dann ganz in den Norden an die UiT Norges arktiske universitet in Tromsø führte, hing vor allem damit zusammen, dass ich im 3. Semester das Seminar „Frauen im Eis“ an unserem Institut belegt hatte, wodurch sich dann doch relativ schnell ein ausgeprägtes Interesse für die Polarliteratur bei mir einstellt. Tromsø war dank seiner 69° N bereits in der Vergangenheit Ausgangspunkt für zahlreiche Arktis-expeditionen gewesen und durch seine Historie ein besonders spannendes Ziel für mich.

Durch die Erasmus-Informations-Veranstaltung an unserem Institut, wurde man vorab bestens auf das Bewerbungsprozedere vorbereitet und über die dafür benötigten Unterlagen informiert. Auch das Bewerben bzw. die Einschreibung an der UiT ging nahezu ohne Probleme vor sich. Es ließ sich fast alles via E-Mail regeln und war, was den Aufwand betrifft, durchaus überschaubar. Außerdem konnte man sich bereits im Voraus auf boligtorget.no um ein Zimmer in einem der Studentenwohnheime bewerben. Es empfiehlt sich auf jeden Fall dies so früh wie möglich zu tun, wenn man in einem bestimmten Wohnheim unterkommen möchte, da die Plätze nach Bewerbungsnummer vergeben werden. Allerdings haben die ausländischen Studenten eine Garantie auf einen Wohnplatz, weswegen man sich zumindest keine Sorgen machen muss eine Unterkunft zu finden. Circa zwei Wochen vor Abflug habe ich dann den Mietvertrag für ein Zimmer zugeschickt bekommen. Für die internationalen Studenten wurde seitens der UiT schon frühzeitig eine moderierte Gruppe auf Facebook eingerichtet, die den nötigen Raum für noch ausstehende Fragen bot und ein erstes Kennenlernen mit den anderen internationalen Studenten ermöglichte.

Da ich in Tromsø während der Official UiT Arrival Days ankam, wurde mir der Schlüssel für mein Wohnheimzimmer und weitere Informationen bereits am Flughafen ausgehändigt. Dort konnte man sich dann mit anderen Studenten ein Taxi zu den Unterkünften teilen. Alles Weitere wurde dann an der Universität in der ersten Woche der sogenannten Debut WEEK International erklärt und gezeigt – von Informationen rund um den universitären Ablauf und die Kursbelegung, was tun bei Krankheit, Zahlung von Miete und Kaution, Ausstellung von Studentenausweisen bis hin zu einer Führung über den Campus und durch die eigene Fakultät. Außerdem bekam man einen Termin bei der Polizei zwecks der öffentlichen Registrierung zugewiesen. Nach diesem konnte man dann bei skatteetaten seine fødselsnummer beantragen, welche unter anderem dann benötigt wird, wenn man ein Konto eröffnen oder nebenbei arbeiten möchte. Außerdem wurde während der Einführungswoche neben einem Stadtrundgang, auch eine kleine Wanderung und ein gemeinsames Grillen in der Telegrafbukta angeboten, woran man wirklich teilnehmen sollte, da man so ganz leicht die ersten Kontakte festigen kann.

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Ich hatte mich für ein Årsstudium in Nordisk eingeschrieben, was pro Semester aus drei Kursen und dabei primär aus Vorlesungen bestand. Dabei empfand ich den Arbeitsaufwand und die Anforderung als deutlich geringer im Vergleich zum Studium an der LMU, jedoch sollte man das Lesepensum nicht unterschätzen. Inhaltlich umfasste dieses Studium sowohl die Literatur- als auch Sprachgeschichte Skandinaviens - Schwerpunkt dabei natürlich immer Norwegen. Auch die Dialekte standen immer wieder im Fokus, was ich als besonders spannend und lehrreich empfand. In einem der Kurse konnte ich sogar an einer dialekt-ekskursjon ins Umland teilnehmen.
Ansonsten bietet der Campus natürlich viele Möglichkeiten zum Verweilen. Allen voran ist hier natürlich auch die Bibliothek ein wichtiger und beliebter Treffpunkt, sowohl zum Lernen und Hausarbeiten schreiben als auch für Gruppenarbeiten. Während der Polarnacht gibt es dann ein kleines Café mit Sonnenlichtstrahlern, welche einen in der mørketid mit entsprechenden Ersatzlicht versorgen. Die Mensa ist auch stets gut besucht – das Essen dort ist gut und gesund, im Verhältnis preislich sogar in Ordnung, jedoch finanziell auf Dauer kaum zu stemmen.
Außerdem gibt es an der UiT viele Möglichkeiten sich zu engagieren oder sich den verschiedenen Sportgruppen anzuschließen, welche u. a. auch verschiedene Touren und Ausflüge organisieren - eine gute Möglichkeit schnell und kostengünstig die Umgebung kennenzulernen.

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Während meines Auslandsaufenthaltes wohnte ich im Studentenwohnheim im Åsgårdveien. Glücklicherweise hatte ich sogar ein Zimmer in einem der kleineren und für Skandinavien typischen Holzhäuser bekommen. Dort habe ich mir mit fünf weiteren Studenten eine Küche und zwei kleine Bäder geteilt. Ich hatte das Glück ausschließlich mit Norwegern zusammen zu wohnen, was für meine sprachliche Weiter-entwicklung sicher von Vorteil war. Die Kosten für Lebensmittel sind - wie für viele bekannt sein dürfte - in Skandinavien deutlich höher als hierzulande. Doch es kommt einem zu Gute, wenn man vor allem nach Angeboten Ausschau hält und einkauft. Orientierung dabei gibt einen die App mattilbud, in welcher man die wöchentlichen Angebote aller Supermarktketten einsehen kann.

 

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Natürlich wollte ich auch so viel wie möglich von Nordnorwegen sehen und dank der vielen internationalen Studenten hatte man immer Gleichgesinnte um sich und konnte sich gegebenenfalls die entsprechenden Reisekosten aufteilen. Zum Beispiel hatten wir uns mehrere Male ein Wohnmobil für 5-6 Leute geliehen und sind damit bis ans Nordkap oder auf die Lofoten gefahren, was dank zwei vorlesungsfreier Wochen pro Semester auch möglich war. Für alle Interessenten der Alten Abteilung, finden sich in Nordnorwegen immer wieder hellerestninger z. B. auf der Insel Kvaløya, in Narvik, aber vor allem eben in Alta. Diese Alta-ristningene sind für jeden Skandinavisten auf alle Fälle eine Reise wert! Auch wer sich für die Kultur der Sámi interessiert, findet in Tromsø viele Vortagsreihen und Veranstaltungen darüber. Im Rahmen der sogenannten Sámi-Uka finden dort sogar die jährlichen Nationalmeisterschaften im reinkappkjøring und lassokasting statt, welche man sich wirklich nicht entgehen lassen sollte. Mein absoluter Höhepunkt war natürlich ein arktischer Kurztrip nach Spitzbergen gewesen.

Eigentlich muss man aber gar nicht weit weg, denn auch die Stadt hat einiges zu bieten – von einer Berggondel auf den Aussichtsberg Fløya über einige sehr interessante Museen. Für alle Skandinavisten, besonders die der Neuen Abteilung, ist die Bibliothek des Norsk Polarinstitutts absolut zu empfehlen. Dank meiner Mitarbeit bei der Studentenzeitung konnte ich nicht nur mein Norwegisch verbessern, sondern ganz nebenbei auch viele Ausstellungen, Konzerte und Filmvorführungen kostenfrei besuchen.

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Um kulturell mehr Fuß zu fassen und um noch enger in Kontakt mit den Norwegern zu treten, bin ich während meines Aufenthalts in Tromsø in den THPK Tromsø havpadleklubb eingetreten, was sich als eine der besten Entscheidungen während meines Aufenthalts erwies. Ich konnte nicht nur an er-lebnisreichen Kajak-touren unter dem Nord-licht oder mit ganzen Orca-Schulen und Buckelwalen teilnehmen, sondern habe dort auch jede Menge Kontakte knüpfen können und wahnsinnig tolle Freunde gefunden. Ich war nicht mehr „nur“ Gast in diesem Land, sondern richtig angekommen, integriert und zuhause. Und so konnte ich auch kurz vor meiner Rückkehr den Nationalfeiertag am 17. Mai ganz traditionell im engen Kreis zusammen mit meinen norwegischen Freunden feiern, wodurch sich sogar die Möglichkeit für mich ergab einmal voll und ganz in einer bunad, der norwegischen Nationaltracht, zu stecken. Abschließend kann ich nur sagen, dass alle Erwartungen, welche ich an mein Auslandsjahr gestellt hatte, erfüllt - wenn nicht sogar übertroffen - wurden. Ich konnte meine sprachlichen Fähigkeiten noch einmal ausbauen und habe Land und Leute schätzen gelernt!

Sonja Anzer