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Exkursion nach Polen

12.07.2014 – 20.07.2014

Austrvegr – Auf den Spuren der Wikinger in Polen

Die Idee zu einer Polenexkursion unseres Instituts geht auf einen Besuch Dr. Leszek Gardelas im SS 2013 zurück. Anne Hofmann hatte einen Vortrag von ihm auf der Sagakonferenz in Aarhus gehört und angeregt, ihn zu einem Gastvortrag einzuladen. Anschließend saßen wir bei unserem ‚Stammitaliener‘ Mario in netter Runde zusammen, und ich beklagte meine Kenntnislücken Osteuropa betreffend. Noch an selbigem Abend entwickelte Dr. Gardela aus dem Stegreif den Plan einer Polenexkursion mit so viel Elan und Begeisterung, dass ich spontan beschloss, dieses Vorhaben im darauf folgenden Sommer umzusetzen. Obwohl wir uns ein Semester über auf diese Exkursion vorbereitet hatten, hat uns Polen in vielem überrascht –angenehm überrascht. Es war für uns ein großartiges Erlebnis, mit welcher Generosität Dr. Marek Jagodziński in Elblag die Funde aus Truso und Dr. Andrzej Janowski in Szczecin die Funde von Wolin vor uns ausbreiteten. Vor dieser Exkursion war Polen für mich ein mehr oder weniger unbekanntes Land. Nach dieser Reise habe ich Anlass genug, mein Polenbild in vielen Punkten zu revidieren. Dass uns Deutschen nirgendwo auch nur die Spur eines Ressentiments entgegengebracht wurde, hat mich menschlich tief berührt. Wir sind auf unserer Reise nur freundlichen und hilfsbereiten Menschen begegnet. Dr. Leszek Gardela, der dies alles durch seinen nimmermüden Enthusiasmus möglich machte, gilt unser aller herzlichster Dank.

Prof. Dr. Wilhelm Heizmann

Reisetagebuch

1. Tag: Samstag, 12.07.2014

Heute beginnt unsere Exkursion: „Austrvegr – Auf den Spuren der Wikinger in Polen“ – oder, wie es für manche von uns heißt: „Wir holen den Pokal“!

12.07. Samstag1

Polen mag auf den ersten Blick ein recht ungewöhnliches Reiseziel für Skandinavisten darstellen. Nachdem wir uns aber ein Semester lang mit Themen rund um „Austrvegr. Germanen und Skandinavier und die slawische Welt“ im Rahmen des Hauptseminars beschäftigt haben, wollen wir nun die Orte aus den Referaten besichtigen.

12.07. Samstag2

Wir treffen uns alle am Münchener Flughafen, um den Flug nach Danzig (Gdánsk) zu nehmen. Knapp 1,5 Stunden später sind wir auch schon sicher dort gelandet, jedoch erwartet uns eine längere und regnerische Wartezeit auf den Flughafenbus.

Erschöpft von der Reise kommen wir endlich in unserem Hostel an, wo wir uns eine kleine Verschnaufpause gönnen. Danach geht es zum Abendessen, bei dieser Gelegenheit gewinnen wir unseren ersten Eindruck von Polen.

 

2. Tag: Sonntag, 13.07.2014

12.07. Sonntag1Heute beginnt das Sightseeing und wir treffen uns mit dem polnischen Archäologen Dr. Leszek Gardeła, der für den Rest der Woche unserer Reiseführer sein wird. Wir kennen ihn bereits von mehreren Gastvorträgen in München und freuen uns, ihn wiederzusehen. Unser erstes Ziel ist das Archäologische Museum. Auf den Weg dorthin besichtigen wir unter anderem die Marienkirche und sehen etwas mehr von der Innenstadt. Das Museum bietet uns neben zahlreichen Fundstücken wie z.B. einem Thorshammer aus Bernstein, auch einen Aussichtsturm mit einer beeindruckenden Rundumsicht über die Stadt.

Danach besuchen wir den Danziger Artushof (14. Jh.), einen ehemaligen Treffpunkt für Kaufleute und Adlige. Neben einer Ausstellung zur Europäischen Union enthält er außerdem noch Teile der (rekonstruierten) Einrichtung.
Nach einer Stärkung zu Mittag geht es in ein weiteres Museum, das Uphagen Haus: Dort kann ein typisches Bürgerhaus aus dem 18. Jhd. Besichtigen, das nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut wurde. Danach haben wir ein wenig Zeit zur freien Verfügung. Während ein Teil der Gruppe mit einem Schiff zur Westerplatte an den Strand fährt, nutzt der andere Teil die Zeit für ein erstes Souvenirshopping. Am frühen Abend treffen wir uns wieder und gehen gemeinsam Abendessen.

13.07. Sonntag2Da am Abend das Finale der Weltmeisterschafft stattfinden wird, macht sich ein Teil der Gruppe auf, einen Pub zu finden, der das Spiel überträgt. Der andere Teil genießt den Abend bei einem Getränk in einem ruhigen Park.
Währenddessen ist im Pub die Spannung in der Luft fast greifbar. Es dauert 113 nervenzermürbende Minuten, bis Götze uns zum lang ersehnten Titel schießt. Wir sind Weltmeister! Erschöpft und freudetaumelnd ziehen wir ins Hostel zurück. Kann diese Exkursion noch besser werden? Kann unsere Reise dies noch toppen? Das wird der Lauf der Woche noch beweisen müssen.

 

3. Tag: Montag, 14.07.2014

14.07. Montag1Als frischgekürte Weltmeister starten wir in unseren letzten Tag in Danzig. Wir besuchen einige Kirchen, unter anderem die Katharinenkirche und eine beeindruckende Backsteinkirche, die nach der Heiligen Brigitta aus Schweden benannt ist. Ungewohnt für uns ist es, zu sehen, dass manche alte Bauwerke nun einem neuen Zweck dienen: So besuchen wir eine alte Mühle, die inzwischen in ein Einkaufszentrum umgewandelt wurde. Dies scheint in Danzig allgemein beliebt zu sein, auch in einem anderen Einkaufszentrum waren Ausgrabungen einer mittelalterlichen Kirche zu sehen.

Nach dem Mittagessen holen wir die Autos ab, in die – trotz gegenteiliger Befürchtungen – unser Gepäck wunderbar hineinpasst, so machen wir uns auf den Weg zu unserem nächsten Highlight: Der Marienburg.

14.07. Montag2In Malbork erwartet uns das größte Backsteingebäude Europas. Der Bau der Burg begann Ende des 13. Jahrhunderts, sie wurde vor allem durch die Nutzung des Deutschen Ritterordens berühmt, von dem sie bis in das 15. Jahrhundert als Hauptsitz benutzt wurde. Leider geriet sie im Zweiten Weltkrieg zwischen die Fronten der Sowjetunion und Hitler-Deutschlands und wurde dabei zu 60% zerstört. Obwohl sie wieder aufgebaut wurde und auch heute noch Renovierungsarbeiten im Gang sind, kann man die Beschädigungen gut erkennen. Wir bekommen eine 1 ½-stündige Führung durch die Burganlage. Da die Ordensburg montags leider nur eingeschränkt geöffnet ist, können wir den Großteil der Innenräume (u.a. die Marienkirche) nicht besichtigen. Trotzdem hat sich der Besuch gelohnt, wir erfahren neben der Geschichte der Burg so einiges über das Heizsystem und mittelalterliche Toiletten.
Im Anschluss an die Führung haben wir noch ein wenig Zeit, selbst einen Blick auf die Marienburg zu werfen, bis wir uns wieder auf den Weg zu unserem nächsten Ziel, Elbling (Elbląg), machen.

Nach dem Abendessen und einem kleinen Stadtrundgang fallen wir müde und erschöpft in unsere Betten.


4. Tag: Dienstag, 15.07.2014

15.07. Dienstag1Da sich das Museum gleich neben unserem Nachtlager befindet, gibt es am Morgen keinen Grund zur Eile und wir können ein schmackhaftes Frühstück in der Innenstadt genießen.

Wir beginnen mit einem archäologischen Workshop unter der Leitung von Dr. Marek Jagodziński, der die Ausgrabungen in Truso leitete. Truso war einer der größten Handelshäfen im Ostseeraum und lag zwischen den Gebieten der Slawen und Preußen. Einige Funde deuten darauf hin, dass er von skandinavischen Händlern gegründet sein könnte. Zuerst hören wir einen Vortrag über Truso und die vorgenommene Ausgrabung. Anschließend haben wir die einmalige Möglichkeit, eine Auswahl von Funden aus der Nähe zu betrachten und sie in die Hand zu nehmen. Fasziniert von dieser Gelegenheit nehmen wir die Realien unter die Lupe. Abschließend besichtigen wir im Museum noch eine Ausstellung über Truso und eine weitere über die Geschichte von Elbling, bevor es nach Biskupin weitergeht, wo wir am Nachmittag eintreffen.


15.07. Dienstag2Bei Biskupin handelt es sich um ein großes Freilichtmuseum, in dem unter anderem eine Festung aus der Eisenzeit rekonstruiert wurde. Wir nutzen die Möglichkeit in die prähistorischen Häuser hinein-zuschauen, um uns einen Einblick in das damalige Leben zu verschaffen. Dabei werden wir allerdings von Mücken aufgefressen und so sind wir doch froh, als es weiter nach Gnesen (Gniezno) geht. Nach einer Stärkung im Hotelrestaurant lassen wir den Abend mit einem kleinen Stadtrundgang ausklingen.


5. Tag: Mittwoch, 16.07.2014

16.07. Mittwoch1Vom reichhaltigen Frühstücksbuffet gestärkt machen wir uns auf den Weg zum nächsten archäologischen Museum, das uns sofort mit seiner Technik beeindruckt. Zuerst bekommen wir einen 3D-Film mit den nötigen Hintergrundinformationen zu sehen und anschließend betrachten wir die Ausstellungsstücke, zu denen Leszek uns noch mehr erklärt. Anscheinend ist das Museum nicht auf Besucher eingestellt, welche sich näher mit den Funden beschäftigen wollen: Nach einer bestimmten Zeit geht das Licht aus und man wird in den nächsten Raum mit dem nächsten Film geführt. Diese Prozedur wiederholt sich zwei weitere Male, aber wir erfahren doch einiges über den Beginn des polnischen Staates.
Nach dem Museum besuchen wir die Erzkathedrale mit ihrer berühmten Bronzetür, die das Martyrium des polnischen Schutzpatrons, Adalberts von Prag, darstellt.

16.07. Mittwoch2Danach geht es weiter nach Ostrów Lednicki (einer Insel im Lednica-See), wo wir uns zuerst mit einem Mittagessen stärken bevor wir das Museum besichtigen. Dank eines Vortrages von Leszek in unserem Hauptseminar wissen wir schon einiges über die Funde und die Bedeutung des Ortes. Der Höhepunkt des Tages ist jedoch die Besichtigung der Insel selbst. Wir nehmen eine kleine Fähre, welche uns auf die Insel herübersetzt. Auf der Insel erwarten uns die Überreste einer der wichtigsten Burgen der Piasten, eines frühen polnischen Herrschergeschlechtes. Neben einer Führung über die Insel zeigt uns Leszek noch, wie man Vasenstücke aus dem See fischen kann: So haben einige von uns noch schnell ein paar Mitbringsel gesammelt.
Auf dem Weg nach Posen (Poznań) stoppen wir an einer weiteren Festungsanlage, von der jedoch bisher nur kleine Proben gesammelt wurden. Nach dem etwas erschwerten Erklettern der Wallanlage durch das Gestrüpp erhalten wir zur Belohnung einen beeindruckenden Blick auf die Umgebung. In Posen angekommen geht es noch zu einem gemeinsamen Abendessen in einem Lokal auf dem Rathausplatz.


6. Tag: Donnerstag, 17.07.2014

17.07. Donnerstag1In Posen besichtigen wir dieses Mal zwei archäologische Museen. Das erste liegt direkt im Stadtzentrum, dort bekommen wir zahlreiche Objekte aus der Zeit der Piasten zu sehen. Gleichzeitig gibt es noch weitere Sonderausstellungen, u.a. über das alte Ägypten, die viele von uns begeistern. Während eines kurzen Besuchs des Rathausplatzes und einer Stärkung in einem Café (Geheimtipp von Leszek) geht es weiter zum zweiten Museum, das mit seinen kühlen Räumen einen schönen Ausgleich zur Hitze draußen schafft. Dort erfahren wir via 3-D Film (offenbar populär in Polen) und Realien einiges über den Bau von Festungsmauern. Angesichts des niedrigen Grundwasserpegels in der Gegend war dies nicht einfach und ist umso beeindruckender.


17.07. Donnerstag2Auf unserem Rückweg machen wir einen kurzen Abstecher in die auf dem Weg liegende Kathedrale. In der Innenstadt besuchen wir ein Einkaufszentrum, welches aufgrund seiner Bauweise als eines der schönsten Europas gilt. Bei einem gemeinsamen Mittagessen besprechen wir die restliche Tagesplanung: Ein Teil der Gruppe genießt den Nachmittag in einem Aquapark, während die anderen eine gemütliche Runde in der Stadt mit einem Kaffee genießen. Zum Abendessen treffen wir uns bei einem Mexikaner wieder, wo wir den Abend ausklingen lassen.


7. Tag: Freitag, 18.07.2014

18.07. Freitag1Früh am nächsten Morgen geht es mit einer mehrstündigen Autofahrt weiter nach Stettin (Szczecin), das schon fast an der deutschen Grenze liegt. Dort nehmen wir an einem weiteren archäologischen Workshop teil, diesmal unter der Leitung von Dr. Andrzej Janowski, der bei den Ausgrabungen von Wollin (Wolin) dabei war. Zunächst sehen wir bei Kaffee und Gebäck einen Film, der uns ein wenig Hintergrundwissen über die Geschichte Wollins liefert. Danach hält Dr. Janowski einen Vortrag über seine Ausgrabungen und Theorien über die Skandinavier in Wollin. Auch hier haben wir wieder die einzigartige Möglichkeit, eine Auswahl an Realien zu betrachten. Unter anderem dürfen wir Schmuckstücke, Kleidungsreste und Waffen näher betrachten und zum Teil sogar anfassen.


18.07. Freitag2Dr. Janowski freut sich sichtlich über unser Interesse und holt immer mehr Fundstücke hervor, die er uns zum Betrachten herumreicht. Kurzer Hand entschließen wir uns, gemeinsam mit unserem Gastgeber Abendessen zu gehen, bevor wir unser Hotel außerhalb von Stettin aufsuchen und dort die Nacht verbringen.

8. Tag: Samstag, 19.07.2014

19.07. Samstag 1Die Fahrt geht weiter nach Wollin. Das dortige archäologische Museum lassen wir ausnahmsweise aus, da wir dort nur Repliken sehen würden, deren Originale wir am Vortag aus nächster Nähe betrachten durften.
Somit nutzen wir die Zeit um die Orte zu erkunden, an denen die Ausgrabungen stattgefunden haben, wie zum Beispiel den Silberberg. Auf einem weiteren Hügel betrachten wir einen alten Friedhof mit Hügelgräbern aus vorchristlicher Zeit. Im Anschluss besuchen wir noch ein Festivalgelände, auf dem jedes Jahr ein großes Wikinger- und Slawenfest gefeiert wird. Wir bekommen rekonstruierte Häuser zu sehen, welche wie ein Dorf aufgebaut wurden. Man erfährt einiges über diverse Handwerker, denen man bei der Arbeit zuschauen kann, oder kann sich im Kampf mit dem Schild oder dem Bogen versuchen. Es entsteht sofort ein Gefecht zwischen Leszek und zweien unserer Teilnehmer mit Schwert und Schild, welches jedoch freundschaftlich verläuft, sodass sich die Teilnehmer danach noch lachend in den Armen liegen.

19.07. Samstag2Nach einer kleinen Stärkung in dem Wikingerdorf machen wir uns auf den Weg nach Grzybnica, einem Gotenfriedhof aus dem 1. bis 3. Jahrhundert. Heute kann man dort zahlreiche Steinkreise bewundern.
Erschöpft von einer weiteren langen Autofahrt erreichen wir schließlich am Abend den Badeort Ustka, wo eine Gruppe von uns sofort ins Meer springt. Gemeinsam verbringen wir noch ein letztes Abendessen, bevor die Teilnehmer den Abend entweder am Strand oder in Restaurants ausklingen lassen.


9. Tag: Sonntag, 20.07.2014

20.07. Sonntag1Tag der Abreise. Eigentlich hätten wir genügend Zeit, um in Ruhe zum Flughafen nach Danzig zu fahren, aber leider gab es ein Missverständnis bei der Reisebuchung: Leszek hat einen früheren Flug gebucht. Also heißt es, im Galopp zum Flughafen zu fahren und zu hoffen, dass wir rechtzeitig ankommen. Tatsächlich schaffen wir es rechtzeitig und sind somit frühzeitig am Flughafen und warten auf unseren Check-In. Die letzten Zloty werden für Souvenirs und Kleinigkeiten ausgegeben. Pünktlich um 16:40 Uhr hebt unser Flugzeug ab und wir erreichen um kurz nach 18 Uhr München.


20.07. Sonntag2Abschließend kann man sagen, dass wir es wie unsere Jungs von der Nationalmannschaft gemacht haben. Mit Spannung und Vorfreude und einem großen Ziel sind wir nach Polen gereist und sind erfolgreich, erschöpft aber glücklich nach Hause zurückgekehrt. Im Gepäck jede Menge neues Wissen, Erfahrung und Eindrücke. Und nicht zuletzt: Den Weltmeistertitel!


Von Pia Zachary & Tobias Neubrand

 

 

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