Nordistik
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Exkursion nach Berlin (8.12-9.12.2016)

Exkursionsbericht

08.12.2016 – 09.12.2016

Der Masterkurs im Wintersemester zur Vertiefung der norwegischen Sprache hatte »Norsk-tyske forbindelser« zum Thema und was konnte passender sein, als diesen Verbindungen in Berlin, dem wohl beliebtesten ausländischen Wohnsitz skandinavischer Künstler, nachzuspüren. Nach unserer Ankunft am Mittwochabend machten wir uns gleich auf den Weg zu der dänischen Galeristin Heike Arndt, die einmal im Monat in ihre Galerie zum Scandinavian Meetingpoint einlädt. Wir trafen ein bunt gemischtes, internationales kunstinteressiertes Publikum und lernten interessante Menschen nicht nur, aber auch aus Skandinavien kennen. Der Donnerstag begann mit einem Besuch des Nordeuropa-Instituts der Humboldt-Universität, das nach der Wiedervereinigung aus der Fusion der beiden Skandinavistik-Institute von Humboldt-Universität und FU entstand. Wir erfuhren nicht nur Interessantes über die Strukturen und Entwicklungen am Institut, sondern erhielten auch einen sehr detaillierten Vortrag über die historische Entwicklung der Nordischen Philologie in Deutschland. Die Situation des Nordeuropa-Instituts ist einerseits durch die beiden von Schweden und Norwegen finanzierten Stiftungsprofessuren (Dag-Hammarskjöld-Professur und Henrik-Steffens-Professur) und die leichtere Verfügbarkeit von skandinavischen Ansprechpartnern begünstigt, andrerseits wurde uns selbst hier in diesem größeren Institut von den Schwierigkeiten berichtet, ausreichende Mittel für Vollzeitstellen in den Lektoraten zu erhalten.

berlin
Die Busfahrt zu unserem nächsten Programmpunkt, der norwegischen Botschaft, war bereits eine kleine Stadtrundfahrt, führte sie uns doch vorbei am Brandenburger Tor, Reichstag und Bundeskanzleramt, der Kongresshalle, der Siegessäule und Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Bundespräsidenten. Die fünf skandinavischen Botschaften befinden sich in einem zusammen-hängenden Gebäudekomplex mit einem gemeinsamen »felleshus«, das als öffentlich zugänglicher Ort der Begegnung Ausstellungs¬flächen, Tagungsräume und ein nordisches Restaurant beherbergt. Dort hatten wir bei einem gemeinsamen Mittagsessen und anschließendem Gespräch mit mehreren Botschaftsangehörigen Gelegenheit, Einblicke in die vielfältige Arbeit der norwegischen Botschaft zu erhalten. Bei einem Rundgang über das Botschaftsgelände konnten wir die individuelle architektonische Ausgestaltung der einzelnen Botschaften bewundern. Die am norwegischen Iddefjord gehauene 15 Meter hohe Granitplatte an der Front der norwegischen Botschaft soll zusammen mit der anschließenden Glasfassade natürlich an die typische norwegische Landschaft erinnern: »fjord og fjell«.


Anschließend kehrten wir zurück nach Berlin-Mitte und besuchten den norwegischen Galeristen Atle Gerhardsen in seiner Galerie Gerhardsen Gerner. Er berichtete uns von seinen Anfängen in Oslo, dem Umzug nach Berlin im Jahr 2000 und der Gründung einer Filialgalerie in Oslo vor vier Jahren. Vor allem nach der Finanzkrise 2008 ist das Geschäft mit zeitgenössischer Kunst nochmals schwieriger geworden und nur mit einer stark internationalen Ausrichtung (sowohl die Künstler wie die Kunden betreffend) betreibbar.


Danach trafen wir den norwegischen Schriftsteller Nils Henrik Smith in der Weinerei am Zionskirchplatz. Mit ihm sprachen wir sowohl über seinen letzten Roman Se ilden lyse over jord als auch über die Existenz als freier Schriftsteller, seine Schreibgewohnheiten und die Gründe für seinen Umzug nach Berlin. Die Kombination aus damals günstigen Lebenshaltungskosten, internationaler Großstadtszene und kurzer Verbindung nach Norwegen waren einige der Argumente, die wir nicht nur von ihm, sondern auch unseren anderen Gesprächspartnern zu hören bekamen. Diesen Tag voller dicht gedrängter Informationen, Treffen und Gesprächen beendeten wir mit dem Besuch eines skandinavischen Weihnachtsmarktes auf dem Gelände der Kulturbrauerei.


Am nächsten Tag begaben wir uns auf einen Stadtrundgang auf den Spuren skandinavischer Künstler und Gelehrter durch Berlins historische Mitte, vom Dom bis zum Brandenburger Tor. Wir erfuhren Wissenswertes und Anekdotisches über zahlreiche Skandinavier, die in Berlin gelebt oder Aufenthalte verbracht haben. So etwa Henrik Steffens, der ab 1832 an der Humboldt-Universität lehrte und zeitweilig Rektor war, Søren Kierkegaard, der Steffens' Vorlesungen in Berlin besuchte, und H.C. Andersen, der über mehrere Jahrzehnte immer wieder in Berlin zu Gast war. 1831 wurde er als noch unbekannter Dichter von Adalbert von Chamisso in die Berliner Kulturszene eingeführt, 1844 musste er als gefeierter Autor bei einem unangemeldeten Besuch bei Jakob Grimm die Erfahrung machen, dass dieser noch nie von ihm gehört hatte. Er verliebte sich unglücklich in die am Berliner Theater gastierende »schwedische Nachtigall«, die Sopranistin Jenny Lind und wurde als gefeierter Märchenverfasser am 6. Januar 1846 sogar vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. empfangen und mit einem Orden ausgezeichnet. Ein halbes Jahrhundert später wurde das (im Zweiten Weltkrieg zerstörte) Wirtshaus Zum schwarzen Ferkel an der Ecke Unter den Linden/Wilhelmstraße zum Treffpunkt der skandinavischen Bohème um August Strindberg, Holger Drachmann, Dagny Juel und Edvard Munch.


Nach diesem interessanten Rundgang hatten wir Gelegenheit, Berlin auf eigene Faust zu erkunden, bevor wir am Nachmittag den norwegischen DJ, Komponist und Produzent von elektronischer Tanzmusik, DJ Telephones trafen. Für ihn waren die günstigen Mieten und damit die Möglichkeit, sich ein eigenes Studio einzurichten sowie die guten weltweiten Flugverbindungen von Berlin Gründe, sich dort niederzulassen. Denn berufsbedingt ist er mehr als 30 Wochenenden im Jahr unterwegs in Europa und der ganzen Welt, um in Clubs Musik aufzulegen.


Insgesamt konnten wir auf dieser Exkursion viel Neues und Interessantes über die Verbindungen zwischen Deutschland und Norwegen und über historische wie zeitgenössische skandinavische Künstler in Berlin erfahren. Berlin wurde in den letzten Jahren von Norwegern vor allem wegen seiner günstigeren Lebenshaltungskosten, seiner Eigenschaft als Metropole mit der zugehörigen internationalen Szene und der guten Erreichbarkeit geschätzt. Dass es sich dabei um die Hauptstadt Deutschlands handelt, erscheint als eher nachrangiger Punkt, weder gibt es eine besondere Affinität zu Deutschland noch Ablehnung.


Ein herzliches Dankeschön gilt unserer Norwegisch-Lektorin Irene Karrer, die diese abwechslungsreiche Exkursion initiiert, organisiert und engagiert begleitet hat.