Nordistik
print


Navigationspfad


Inhaltsbereich

Schweden: Umeå 2020

Schweden: Umeå 2020 – Ein Rundgang

Zugegeben: Ein bisschen anders hatte ich mir mein Auslandssemester schon vorgestellt. Aber pandemiebedingt war vieles eben nicht möglich. Unterricht vor Ort, ein Trip mit der Fähre nach Finnland, ein Ausflug zur Elchfarm und so weiter – Erlebnisse, die in einem Semester an der Umeå universitet irgendwie nicht fehlen dürfen. Klar, ich habe schon einiges erlebt im kalten Norden, das Weltkulturerbe Gammelstad bei Luleå zum Beispiel, oder Polarnächte in Kiruna und eine Hundeschlittentour in Jukkasjärvi. Und eigentlich hat das auch gereicht. Denn Umeå, das kulturelle Zentrum von Norrland, hat alleine schon zu viel zu bieten, um es alles aufzulisten.

Um euch zu zeigen, wie vielfältig und aufregend Europas Kulturhauptstadt von 2014 ist, nehme ich euch mit auf eine Tour durch Umeå. Sagen wir, an einem ganz normalen Freitag.

På förmiddagen: Campushopping

Beginnen wir unsere Route in Ålidhem, einem Stadtteil südöstlich des Zentrums. Wie die meisten Studierenden lebe auch ich hier in einem der Wohnheime. Weil meine Kurse überwiegend im Distanzunterricht stattfinden, verbringe ich dort viel Zeit. Bücher brauche ich natürlich trotzdem, gerade als Literaturstudent. Wegen des schwedischen Urheberrechts sind jedoch nur wenige online verfügbar, also gehe ich sehr häufig in Bibliotheken. Die Zentralbibliothek befindet sich in Lindellhallen, einem großen Gebäude am künstlich angelegten Campussee. An einer der zahlreichen Sitzgelegenheiten am Wasser kann man eine Studien- pause einlegen. Von Ålidhem aus sind wir mit dem Fahrrad in fünf Minuten dort.

umea 2020 kh 1

Der Kunstcampus mit Wäscheklammerskulptur am Ufer des Umeälven.

Einige der Bücher, die ich brauche, befinden sich in der Bibliothek am Kunstcampus, einem modernen Gebäude, in dem sich auch Bildmuseet befindet. Von Lindellhallen setzen wir des- halb unseren Weg in Richtung Stadtzentrum fort. Vorbei am Krankenhaus gelangen wir über den Ostbahnhof ins Tal, und hinter der angrenzenden Wohnsiedlung befindet sich neben einer großen Wiese und mit Blick auf den Fluss der Kunstcampus. Mittags nehmen wir einen Umweg: Flussabwärts kommen wir nach einigen Minuten nach Gimonäs, wo es einige große Ge- schäfte gibt. Nach erledigtem Einkauf geht es auf einem Waldweg zurück nach Ålidhem.

På eftermiddagen och tidigt på kvällen: Stadspromenad och UNF-möte

Am Nachmittag nehme ich euch mit in die Stadt. Ich habe mir – was sonst – Bücher bestellt, die ich abholen will, und möchte außerdem noch ein wenig durch die Geschäfte bummeln. Vom Hauptcampus aus halten wir uns diesmal rechts und fahren zu Svingen, einer geschwun- genen Rad- und Fußwegbrücke, die hinunter ins Tal führt. Von dort oben hat man dort einen tollen Blick auf die Stadt und die Berge im Hintergrund. Unten angekommen folgen wir Kungsgatan mit ihren vielen Umeå-typischen Birken ins Zentrum: Vorbei an kleinen Parkanlagen geht es in die Fußgängerzone. Hier befindet sich zum Beispiel Orangeriet, ein Burger-Restaurant mit einer großen Indoor-Boule-Anlage. Noch einige Schritte und wir erreichen den Rathausplatz, das Herz der Stadt. In Sichtweite befinden sich hier schon Väven, ein moderner Gebäudekomplex, der unter anderem die Stadtbibliothek beinhaltet, und Umeälven. Hier gibt es viele Sitzgelegenheiten mit Blick auf das Wasser.

umea 2020 kh 2

Unterhalb des Rathausparks am Umeälven.

Für den Abend empfiehlt sich ein Besuch bei Bastard Burgers, einem bekannten Burger-Laden, und anschließend in Lottas Krog, einem englischen Pub, dekoriert mit alten Büchern, Lederstühlen, Ritterrüstungen und Backsteinwänden.

Doch wir wollen den Abend woanders verbringen: Wir gehen ein paar Straßen weiter, bis wir im Haus des Ungdomens Nykterhetsförbund (UNF) angekommen, des »Vereins der nüchternen Jugend«. Ich habe mich dort mit einigen Freund*innen angemeldet, nicht weil wir in ers- ter Linie überzeugte Nykterister, also Antialkoholiker*innen, sind. Unsere Intention war es, Einheimische kennenzulernen – als International Students und im Distanzunterricht leichter gesagt als getan. Meine skandinavischen Dozierenden haben deshalb empfohlen, Mitglied in einem Verein zu werden. Auch das war pandemiebedingt nicht sehr einfach. Doch der UNF hat sich am Campus fleißig beworben und mich überzeugt. Nach dem Mottagning, den Kennenlernveranstaltungen, trafen wir uns jeden Freitagabend, ab und zu auch samstags, um gemeinsam zu kochen, zu backen, Gesellschaftsspiele zu spielen, Filme zu schauen oder einfach nur, um gemeinsam den Tag ausklingen zu lassen. Alles alkoholfrei, versteht sich. Mein Schwedisch hat sich mit jedem Treffen verbessert. Und ich habe viele nette und interessante Schwed*innen kennengelernt.

Frampå kvällen: Norrskensjakt vid Nydalasjönumea kh 2020 3

Gegen zehn Uhr machen wir uns auf den Rückweg, weil wir noch etwas Besonderes vorhaben. Wir nehmen einen anderen Weg, vorbei am Hauptbahnhof in Richtung Mariehem im Nor- den. Auf unserer Route gelangen wir auch zum Västerbotten Museum, das auch eine große Frei- lichtausstellung und das Samische Kulturzentrum beherbergt. Hier erfährt man viel über die Geschichte Umeås sowie über die Provinz und das län Västerbotten und über die nordschwedische Minderheit der Samen. In »normalen« Zeiten finden hier zum Beispiel auch Jojk-Abende statt.

Auf der Straße erreichen wir nach kurzer Zeit wieder den Campus, diesmal vom Norden her. Doch nun wollen wir nicht nach Ålidhem, wir gehen weiter in Richtung Westen. Zunächst kommen wir am IKSU sport vorbei, »en av Europas största träningsanläggningar«, wie es auf der Website heißt. Sehr viele Studierende haben hier eine Abonnement bei IKSU, denn der Sportverband bietet eine große Auswahl an Kursen oder anderen Trainingsmöglichkeiten und Veranstaltungen. Auch Ausrüstung kann man sich hier ausleihen.

Wir gehen aber noch weiter, bis wir an einer Unterführung die E12 passieren. Am Wald entlang gehen wir nun in nördliche Richtung und biegen schließlich links ab. Dort liegt unser Ziel, Kinabron am Nydalasjön. Von hier aus sieht man, wenn alle Faktoren passen, etwa alle vier Wochen Nordlichter. Wir überqueren die Brücke und gelangen zu Hällan, einem Felsen, auf dem die Sicht noch besser ist. Hier versammeln sich an solchen Abenden besonders viele Leute, um auf Aurora Hunt zu gehen, wie es hier in den Social-Media-Gruppen nennen. Wer Glück hat, findet auch noch einen Platz an einer der öffentlichen Lagerfeuerstellen.

umea 2002 kh 3

Nordlichter über dem Nydalasjön, von Kinabron aus.

Nach einiger Zeit treten wir den Weg nach Hause an. Wir gehen am See entlang, rechts von uns liegt der Wald. Besonders im Winter müssen wir hier aber vorsichtig sein, da uns Elche begegnen könnten. Sicherer ist daher der Weg an der Straße oder durch Mariehem. Als wir den Wald verlassen, biegen wir rechts ab. Vor uns liegt schon Ålidhem. Ein eigentlich normaler und doch erlebnisreicher Tag geht zu Ende.

Korbinian Hartmann