Nordistik
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Schweden: Umeå 2021

Je weiter mich das Flugzeug Richtung Norden trägt, desto rauer wird die Landschaft: Ein dunkelgrünes Nadelmeer, ab und an unterbrochen von, wie es scheint, nur tellergroßen Seen liegt unter mir. Die ersten Schritte auf dem Rollfeld des Flughafens in Umeå fühlen sich anders an als erwartet. Überraschend sonnig und warm präsentiert sich meine neue Wahlheimat im schwedischen Norden.

Im überschaubaren Terminal finde ich mich schnell zurecht und werde nach der gut organisierten Schlüsselübergabe der Universität mit zahlreichen anderen „Internationals“ im Reisebus zu meiner neuen Unterkunft im Stadtteil Ålidhem (hier sind zahlenmäßig die meisten Student*innen untergebracht) chauffiert. Was für ein Service! Bei der ersten Inspektion meiner Bleibe für die nächsten 11 Monate offenbart sich nun, was sich vor ein paar Monaten während des Auswahlprozesses online nur erahnen ließ. Mein Studentenapartment ist mit Schreibtisch, Bett, diversen Schränken und angrenzendem privaten Badezimmer sehr gut ausgestattet und mit ca. 3600 SEK im Monat im Vergleich zu Münchner Verhältnissen wirklich preiswert. Sowohl den Waschraum als auch die Küche teile ich mir mit meinen acht Nachbarn – vier Schwed*innen und vier Internationals. Die gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeiten sind hell und gemütlich ausgestattet. Glücklicherweise gibt es sogar einen Putzplan, der mehr oder weniger von allen eingehalten wird, weshalb man sich auch über die Sauberkeit nicht beklagen kann. Auch die Ausstattung der Küche überrascht mich, obwohl ich hier fairerweise anmerken muss, dass mein Korridor diesbezüglich doch überdurchschnittlich gut ausgerüstet ist. Neben einem eigenen Geschirrset sowie Kochutensilien stehen mir von einem Toaster bis zu einem Stabmixer allerlei gemeinschaftlich genutzte Haushaltsgegenstände zur Verfügung. Letztere werden zudem durch einen Staubsauger und Wischmopp ergänzt. Rundum zufrieden mit meiner Entscheidung, mir über die Universität eine Wohnung zuweisen zu lassen, begebe ich mich an meinem ersten Tag in Schweden an den Ort in Umeå, den ich Ina Timm Iin Deutschland bisher als Erstes mit meinem Gastland in Verbindung gebracht habe – in das ortsansässige IKEA.

Neben Letzterem ist Umeå ziemlich gut mit vielerlei Einkaufsmöglichkeiten ausgestattet, über welche ich mir nach ein paar Besuchen im Zentrum und Umgebung schnell einen Überblick verschaffen kann. Sowohl die Innenstadt als auch die Gewerbegebiete im Norden und Süden („Ersboda handelsområde“, „Söderslätts handelsområde“) laden zum Einkaufen ein. Unter Student*innen wird Umeå darüber hinaus ausdrücklich für seine Secondhand-Läden geschätzt, welche über die ganze Stadt verteilt sind. Hier mag ein jeder zum Stöbern angeregt werden oder auf der Suche nach Einrichtungsgegenständen fündig werden. Besonders beliebt sind in meiner Freundesgruppe Cafés wie „Rost“, „Nya konditoriet“ und „Kulturbageriet“, wo wir uns gelegentlich und je nach Saison mit unseren Lieblingsgebäcken wie „Prinsesstårta“, „Semlor“, „Kanelbullar“ verpflegen. Kulinarisch hat sich Umeå, wie es scheint, vor allem auf Hamburger in allen Ausführungen (vegan, vegetarisch, konventionell und in allen Preisklassen) spezialisiert. Wem das nicht zusagt, kommt trotzdem auf seine Kosten. Denn die Stadt wartet darüber hinaus mit zahlreichen weiteren Restaurants auf, die mit schwedischen Klassikern („Räkmacka“ bei „Sjöbris“, „Julbord“ z.B. bei „Tonka Strandgatan“ etc.) oder internationalen Köstlichkeiten (z.B. bei „Bistro Le Garage“ (Französisch), „Cinco“ (Südamerikanisch), „The Bishops Arms“ (Britisch)) begeistern. Preislich rangieren die meisten Restaurants im deutschen Durchschnitt. Es gibt aber generell keine Grenze nach oben und vor allem für eine schöne, sonnige Aussicht auf den „Umeälv“ zahlt man doch gehobene Preise. In diesem finanziellen Aspekt steht Umeå München also in keiner Weise nach. Meiner Meinung nach kommt man hier im oft als so teuer bezeichneten Schweden jedoch recht gut über die Runden, vor allem mit dem Erasmus-Zuschlag, den man als Austauschstudent*in der LMU erhält.

Vom Zentrum aus hat man die Möglichkeit, verschiedene Transportwege zu nutzen. Mit dem Zug gelangt man sowohl nach Kiruna im Norden als auch in das südliche Stockholm. Der Hauptverkehrsknotenpunkt für die Fortbewegung innerhalb Umeås, welche nicht per Fahrrad oder zu Fuß bewältig werden will, ist die Haltestelle „Vasaplan“. Ausnahmslos alle Buslinien des „Lokaltrafik“ halten hier, was die Navigation durch die Stadt erheblich erleichtert und es so gut wie unmöglich macht, sich zu verirren.

Auf dem Weg zwischen Umeås Stadtkern und meinem Apartment in Ålidhem (ca. 20 Minuten) liegt die Busstation „Universum“. Wie der Name schon verraten mag, handelt es sich bei dieser um die Haltestelle der Universität. Ina Timm IIEin paar Meter weiter erstreckt sich der weitläufige Campus der „Umeå universitet“. Hier findet man auch das gleichnamige Gebäude „Universum“, welches unter anderem das „Infocenter“ beherbergt. Dies ist neben der „Lindelhall“ mit der Universitätsbibliothek der wichtigste Anlaufpunkt der Universität. Denn hier werden alle Fragen rund um die Lehre, das Studentenapartment und das Leben in Umeå geklärt.

Das Wintersemester beginnt in Umeå, anders als in München, bereits Ende August und endet Mitte Januar. Ungewohnt ist für mich zunächst auch, dass es zwischen dem Wintersemester und dem Sommersemester keine Semesterferien gibt. Das Kursangebot der Universität ist weit gefächert. Von „Arctic Science“ bis zu einem „Slöjdkurs“ (schwedischer Handwerkskurs) kann man auch als ausschließlich englischsprachige*r Student*in aus einer Vielzahl an Veranstaltungen wählen. Die Semesterorganisation unterscheidet sich grundlegend von dem Vorgehen an der LMU: Ich besuche nun jeweils nur einen Kurs und nicht mehrere Kurse gleichzeitig. Das heißt, dass ich, bei insgesamt 30 ECTS pro Semester in 4 Kursen, diese Kurse nacheinander belege. Am Ende des Semesters steht man dementsprechend nicht vor einer großen Prüfungsphase mit vier Abschlussprüfungen. Hingegen staffeln sich die Abschlussprüfungen verteilt über das Semester. Einen festen wöchentlichen Stundenplan gibt es in meinem Fall auch nicht: Der aktuelle Kurs wird jede Woche an anderen Wochentagen und zu anderen Uhrzeiten durchgeführt. Hier ist also besondere Aufmerksamkeit gefordert, um seine Termine zu koordinieren.

Die Benotung wird zumeist nach dem System „nicht bestanden“, „bestanden“ und „sehr gut bestanden“ durchgeführt. Einzelne Noten wie in Deutschland werden – zumindest für meine abgelegten Prüfungen – nicht vergeben. Das Niveau der Kurse für internationale Studierende, sprich solche Kurse, die kein Vorwissen erfordern und für alle Fachrichtungen zugänglich sind, können mich leider nicht überzeugen. Es wird vor allem auf Frontalunterricht und Einführungsliteratur gesetzt, ohne wirklich in die Tiefe eines Themas einzutauchen. Diskussionen finden, wenn überhaupt, nur oberflächlich statt. Auch der Schwedisch-Sprachkurs für internationale Studierende kann nicht überzeugen und ist nicht wirklich fordernd. Die Mehrzahl der Kurse finden Ende des Jahres 2020 und im gesamten Sommersemester 2021 aufgrund der Corona-Krise online statt, was eventuell auch dazu geführt haben kann, dass die Qualität der Kurse leidet. Den Aufwand für das Bestehen der Kurse würde ich als mittel bis gering einstufen. Das Klima an der Universität ist hingegen durchweg positiv und die Lehrende-Studierende-Beziehung auf Augenhöhe. Alle Lehrenden sind jederzeit erreichbar und bei etwaigen Problemen hilfsbereit.

Nach und auch während des Semesters bietet sich es natürlich an, Ina Timm IIISchweden über Umeås Grenzen hinaus kennenzulernen. Bei bester Schneelage und eisiger Kälte sind im Winter besonders die Städte Kiruna und Hemavan unter den internationalen Student*innen beliebt – Erstere für die Nähe zum Eishotel, dem Sarek Nationalpark sowie gute Prognosen bezüglich des Aufkommens von Nordlichtern und Letztere für das örtliche Skigebiet. Den Sommer verbringen die Menschen in Schweden ebenfalls am liebsten in der Natur. Camping, Wandern, Kajak fahren sind nur einige der vielen sportlichen Aktivitäten, die die Menschen während der taghellen Sommermonate im Norden nach draußen locken. Wer sich von der Helligkeit (oder auch Dunkelheit im Winter) erholen möchte, kann dies zum Anlass nehmen, dem Süden Schwedens einen Besuch abzustatten.Ina Timm IV Nach einer halbtägigen Zugreise erreicht man Stockholm und von dort ist wiederum Skåne nicht mehr weit entfernt.

Meine Freundesgruppe und ich haben unsere Zeit in Schweden trotz Corona in vollen Zügen ausgekostet. Vom Skifahren in Hemavan, Nordlichter beobachten in Umeå, Langlaufausflügen, Wandertouren in Åre bis hin zu Erkundungstouren durch sämtliche Städte wie Ystad, Malmö, Lund, Stockholm oder Uppsala konnten wir viele Erinnerungen und Geschichten sammeln, die wir bei Gelegenheit immer noch gerne zum Besten geben. Dass wir bereits unser nächstes Wiedersehen in Schweden planen, erscheint demnach nur allzu selbstverständlich. Es bleibt immer noch so viel zu entdecken und über dieses faszinierende Land zu lernen.

Ina Timm