2022 erschienen:
Die Færeyinga saga ist ein einzigartiger Text im Kontext der altnordischen Literatur. Als einziger vormoderner Text hat sie die Färöer im Nordatlantik zum Gegenstand, deren Geschichte sie im Stile einer Isländersaga als Familienkonflikt auserzählt, ist selbst aber nur als Interpolation in anderen Texten überliefert. Drehte sich die bisherige Forschungsdiskussion stets um ihre Historizität, Datierung, Überlieferung, Gattung und Ideologie, so betrachtet die vorliegende Studie den Text als Erzähleinheit in diesem Spannungsfeld und fragt textimmanent nach ihren Themen und Erzählverfahren. Als zentral stellen sich narrative Portraits verschiedener Akteure im Streit um politische Macht und Einflusssphären in der kleinen Inselgesellschaft heraus, die mitunter paradox und die Deutung irritierend gegeneinander modelliert werden und so die Rezipienten zu eigenständiger Einordnung des Dargestellten aufrufen. Die Erzählstrategien der Saga zielen insofern auf eine Öffnung des Textgehalts zur Interpretation ab, der so nicht allein Einblick in vormoderne Vorstellungswelten und zeitgebundene Diskurse ermöglicht, sondern die altisländische Erzählkunst als Medium der Erzeugung sozial relevanter Diskussion und ihrer Grundlagen offenbart.
The 9 essays collected in this volume are the result of a workshop for international doctoral and postdoctoral researchers in Old Norse-Icelandic Saga Studies held at the Institute for Nordic Philology (LMU) in Munich in December 2018. The contributors focus on ›unwanted‹, illicit, neglected, and marginalised elements in saga literature and research on it. The chapters cover a wide range of intra-textual phenomena, narrative strategies, and understudied aspects of individual texts and subgenres. The analyses demonstrate the importance of deviance and transgression as literary characteristics of saga narration, as well as the discursive parameters that have been dominant in Saga Studies. The aim of this collection is to highlight the productiveness of developing modified methodological approaches to the sagas and their study, with a starting point in narratological considerations. Andreas Schmidt and Daniela Hahn are postdoctoral researchers, reading and teaching Old Icelandic literature from narratological perspectives. Both completed their PhDs in Scandinavian Studies at the Ludwig-Maximilians-Universität in Munich. Following Bad Boys and Wicked Women (Münchner Nordistische Studien 27), this is their second co-edited collection of essays.
2021 erschienen:
- Elke Haberzettl: Stille Stimmen. Schweigen als literarisches Verfahren in skandinavischen Erzähltexten
Sprache ist nicht nur Kommunikationsmittel, sondern formt und begrenzt auch unser Verständnis der Welt. Diese Erkenntnis der Moderne hat sich in der Sprachkunst in einem zunehmend kritischen Umgang mit dem eigenen Werkzeug niedergeschlagen. Dabei fungiert Schweigen im Sinne eines gezielten Verzichts auf Worte als zentrales und produktives literarisches Verfahren zur Auseinandersetzung mit den Grenzen der Sprache. Die vorliegende Studie begibt sich auf die Spuren dieser sprachlichen Grenzgänge und untersucht die Formen und Funktionen literarischen Schweigens am Beispiel von sechs skandinavischen Erzähltexten vom späten 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart, wobei auch historische, soziale und mediale Entwicklungen reflektiert werden.
Das Nachdenken über die Zeit im Drama hat Tradition. Jedoch betrachten bisherige Untersuchungen die Zeit vornehmlich als dramaturgische Größe. Die vorliegende Studie fasst den Zeitbegriff weiter. Typisch moderne Zeitphänomene und -erfahrungen, wie zum Beispiel Beschleunigung, Apokalyptik oder Nostalgie, werden anhand von über 20 Dramen aus Skandinavien näher untersucht. Die analysierten Texte reichen von Ibsens »John Gabriel Borkman« und Strindbergs »Ein Traumspiel« bis zu aktuellen Stücken von AutorInnen wie Line Knutzon, Sara Stridsberg oder Lene Therese Teigen. Die Studie zeigt die hohe Sensibilität, die Drama und Theater in Zeit-Fragen besitzen, und liefert zudem einen breiten Überblick über die gegenwärtige, skandinavische Dramatik.
Das zweisprachige Erzählwerk Karen Blixens / Isak Dinesens weist vielfältige Spuren aus der 'ganzen Welt' auf, die auf unhintergehbare Zusammenhänge und Fernwirkungen deuten: Beziehungen zu fernen Orten, Figuren der Mobilität und der Fremdheit, einen ›global mix‹ der formalen Verfahren, unzählige Verweise auf weltliterarische Intertexte und provokative Weltentwürfe. Eine globalisierungstheoretisch inspirierte Perspektive konzentriert sich erstmals auf dieses bislang kaum beachtete Charakteristikum des Weltbezugs, der in Anekdoten, Figuren und Tropen des Werks niedergelegt ist. Durch ihre Welthaltigkeit reflektieren die Erzählungen Modelle und Dynamiken von Globalität, durch ihre Ästhetik inszenieren sie Fremdheit und Vernetzung gleichermaßen.
2020 erschienen:
In »Av, min arm!«, das sich vor allem an deutschsprachige Lernende richtet, begleiten wir den Journalisten Gert, der bei seinem Aufenthalt in Kopenhagen überraschend im Gefängnis landet, aus dem ihm die Studentin Marianne wieder heraushilft. Doch schon gerät Gert erneut in abenteuerliche Situationen …
Neben einem Textteil enthalten die 21 Lektionen jeweils »Wortschätze«, Erläuterungen zur Aussprache und grammatische Erklärungen. In den sich anschließenden Grammatik-, Dialog-, Übersetzungs-, Wiederholungs- und Kommunikationsübungen wird das Gelernte auf abwechslungsreiche Art vertieft. Jede Lektion endet mit einem landeskundlichen Thema, das uns die dänische Kultur, Geschichte und Gesellschaft näher bringt.
Das Dänisch-Lehrwerk »Av, min arm!« entspricht den Stufen A1 – B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens.
Unter den zahlreichen Erscheinungsformen der Magie in den altnordischen Quellen wird seiðr besonders hervorgehoben, da er mit einem Verstoß gegen die in der altnordischen Gesellschaft vorherrschenden Geschlechterkonventionen konnotiert wird. Doch ist dies längst nicht die einzige Grenzüberschreitung, mit welcher seiðr assoziiert ist. Vielmehr steht der seiðr-Komplex auf vielfältige Weise mit dem Phänomen der Liminalität in Verbindung: Das Übertreten von Grenzen - zwischen dem Diesseits und der Anderwelt, zwischen Fremd und Vertraut, Mensch und Tier, Männlich und Weiblich - sowie die Unterminierung der dazugehörigen Kategorien sind elementare und bis in alte Überlieferungsschichten zurückreichende Merkmale des seiðr, die in den erhaltenen Texten jedoch nur mehr bruchstückhaft erkennbar werden. Die vorliegende Arbeit spürt diese Mosaikteile innerhalb von seiðr-Episoden der altnordischen Literatur sowie im Mythos der beiden göttlichen seiðr-Meister Óðinn und Freyja auf und rekonstruiert, welche gedanklichen Konzeptionen hinter der Verbindung von seiðr und Liminalität stehen.
Diebstahl und Raub sind ebenso wie Gaben reziproke Handlungen mit vielfältigen literarischen Einsatzmöglichkeiten. Obwohl widerrechtliche Aneignungen schon auf den ersten Blick zu den zentralen Themen einer Wikingerliteratur zählen, wurden diese Verbrechen von der Sagaforschung bisher kaum beachtet. Sie funktionieren jedoch nicht nur als Einfallstore in die Erzählwelt der Isländersagas und deren narrativen Verfahren, sondern gewähren auch Blicke auf die zugehörigen Wertvorstellungen. Die Isländersagas erzählen von den ersten Generationen, die nach der Besiedelung Islands gemeinsam eine neue Gesellschaft formen. Um deren wichtigste Maßstäbe, Ansehen und Ehre, zu erreichen und zu stabilisieren, müssen sämtliche Angriffe auf Person und Besitz angemessen vergolten werden. Heimlicher Diebstahl und offener Raub fordern die Siedlergesellschaft heraus, eine Neubewertung von Status und Ansehen aller Parteien anzustellen. Diese Verbrechen funktionieren damit als Kristallisationspunkte der Handlungsstränge und lassen die Eigenschaften der erzählten Welt hervortreten. Dieses Buch will die geheimnisvolle Komplexität der Diebstähle erschließen und damit ein Fenster in die Vorstellungswelt der Isländersagas öffnen.
Snæfellsjökull is one of Iceland’s most famous volcanoes. It is there that Jules Verne located the entrance to the centre of the earth; it is the abode of a medieval saga hero and the location of one of Halldór Laxness’s novels. Travellers, painters, poets, and film-makers have been drawn to it in equal measure – while at the same time and against all expectations, others seem unfazed: as famous as the mountain is on a national and international stage, local folklore and medieval historiography have amazingly little interest in it. Clearly, Snæfellsjökull is not the same to everyone.
This volume presents a survey of the place of Snæfellsjökull in the Icelandic and European imagination. It adapts the paradigm of geocriticism, which shifts the focus of the scholarly investigation from the work of individual authors to the multitude of views that different authors, artists, and practitioners have on a single place. The results of the perambulation of Snæfellsjökull presented here show that both its cultural and literary history, as well as the paradigm of geocriticism, open up broad vistas that amply repay the effort necessary to tackle this mountain.