Nordistik
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Promotionsprojekt von Jorge Ernesto Centeno Vilca

Arbeitstitel: „Gesellschaft und Dichtung: Soziale Narrationen in skandinavischen Langgedichten nach 1945“

Abstract:
Im Zentrum dieses Dissertationsvorhabens steht die Untersuchung von Langgedichten dreier einflussreicher skandinavischer Autor/innen: Aniara (1956) von Harry Martinson (1904–1978), Det (1969) von Inger Christensen (1935–2009) sowie „Tulipan.Mani“ (2008) und „Hva veier en urett? Lex humana“ (2015) von Øyvind Rimbereid (1966).
Den ausgewählten Langgedichten ist gemeinsam, dass sie sozial komplexe Narrationen erzählen. Deswegen wird zunächst anhand eines neomarxistischen Ansatzes, der auf den Arbeiten von Raymond Williams, Fredric Jameson und Jean-Jacques Lecercle aufbaut, diskutiert, wie das Langgedicht eine eigene Art von Narrativität und Komplexität gestaltet. Dieser Ansatz setzt sich entsprechend von den (post-)strukturalistischen Langgedicht-Studien, die besonders die angloamerikanische Forschung dominiert haben, sowie von den Roman- und Epostheorien von Lukács und Bachtin ab und mit ihnen auseinander. Dadurch ist die Diskussion der politischen Dimension des Langgedichts nicht mehr von einem dekonstruktivistischen Ethos gekennzeichnet, sondern von einem Eingriff in die historische Sachlage, der bezweckt, soziale Widersprüche durch Narrationen zu verhandeln.
Aufbauend auf diesem herausgearbeiteten Deutungsrahmen werden die ausgewählten skandinavischen Langgedichte in ihrem Kontext analysiert. Als Aniara (1956) verfasst wurde, erlebte der schwedische Wohlfahrtsstaat seine Blütezeit. Der neu erreichte Wohlstand brachte aber einen naiven Fortschrittsoptimismus sowie eine neue Konsumkultur, die Martinson ablehnte. Det (1969) erschien, als das Projekt des dänischen Wohlfahrtsstaats ernsthaft herausgefordert wurde und politische Alternativen diskutiert wurden. Zuletzt schreibt Rimbereid aus heutiger Sicht, als Norwegen über seine Rolle im aktuellen globalen Kapitalismus bestimmen soll. Die Analysen sollen folgende Fragen beantworten: Welche sozialen Widersprüche in der jeweiligen historischen Situation fließen in das zeitgenössische Gedicht ein und wie werden diese auf der inhaltlichen und formalen Ebene dargestellt? Welche Lösung wird dann imaginiert?

Betreuer: Prof. Dr. Joachim Schiedermair