Nordistik
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Promotionsprojekt von Thomas Krümpel

Arbeitstitel: Die mythische Kosmologie der nordgermanischen Überlieferung

Abstract:

Wie alle alten Völker besaßen auch die paganen Skandinavier ein mythisches Weltbild, in dem Vorstellungen von der Entstehung (Kosmogonie) und vom räumlichen Aufbau der Erde und des Universums (Kosmographie) eingefasst waren. Im Gegensatz zu anderen Traditionen, in welchen der Mythos frühzeitig seiner Deutungshoheit enthoben wurde, etwa durch den Logos (›wissenschaftliches Denken‹) in Griechenland oder den Nomos (das religiöse ›Gesetz‹) im alten Israel, konnten die mythische Weltdeutung und Kosmologie der Nordgermanen ihren Geltungsanspruch bis zur Christianisierung Skandinaviens im 10.–12. Jahrhundert weitgehend unangefochten wahren.

Dieses vorchristliche Weltbild stellt einerseits die Bühne der vielfältigen Mythen des Nordens dar, gibt zugleich aber auch Einblick in die räumlichen und geographischen Orientierungsmuster der Skandinavier – sowohl in ihrer nordischen Heimat als auch auf den weitläufigen Wikingerzügen jener Jahrhunderte. Von besonderem Interesse ist dabei die Frage, wie man sich nicht nur den durch eigene Erfahrung bekannten Teil der Welt, sondern auch die unbekannten Regionen der Ferne sowie die Sphären der Götter, der Riesen und der Toten vorstellte. Diese Konzeptionen liefern Hinweise darauf, in welcher Beziehung der Mensch zur Götterwelt stand, welche Rolle der Tod und anderweltliche Wesenheiten für das alltägliche Leben spielten. Aus dem mythischen Handeln der Götter, der Begründer aller Ordnung, können Schlüsse gezogen werden, wie Kosmos und Chaos, Kultur und Natur gegeneinander ausbalanciert waren. Derartige Struktur- und Bedeutungsmuster sind in alten Kulturen oft in vielfältiger Weise symbolisch ausgedrückt bzw. kodiert – nicht zuletzt in kosmologischen Konzeptionen. In diesem Sinne stellen Weltbilder stets auch ›Wertbilder‹ dar.

Ein vergleichender Blick auf die kosmologischen Vorstellungen verwandter und benachbarter Völker hilft dabei in vielen Fällen, Lückenhaftes und Unklares in der nordischen Überlieferung zu erhellen; zugleich erlaubt eine grenzüberschreitende Perspektive, das mythische Weltbild der Nordgermanen in den größeren kulturellen Zusammenhang der Alten Welt einzuordnen.

Betreuer: Prof. Dr. Wilhelm Heizmann